Factor-Investing ist ein aktiver Anlagestil, bei dem Aktien mit bestimmten Eigenschaften ausgewählt werden. Wissenschaftlich fundiert sind Value, Size, Momentum, Low Volatility und Quality. Der Faktor Quality rückte erst kürzlich wegen seiner guten Performance in den Fokus der Investoren. Faktoren werden vom Markt langfristig mit einer Prämie – der sogenannten Faktorprämie – honoriert. Allen diesen Ansätzen ist gemein, dass sie langfristig eine Outperformance gegenüber dem Marktindex erzielen, was in der Finanzliteratur extensiv aufgezeigt wurde. Darüber hinaus gibt es jedoch auch wesentliche Unterschiede, etwa in Bezug auf das Risiko und die Sektorallokation im Portfolio. Das Ziel der Research Note Serie ist nicht die Suche nach dem besten Faktor, sondern primär ein qualitativer Vergleich der relevanten Faktoren. In dieser Analyse fokussieren wir auf die Faktoren Value, Low Volatility und Quality, welche aufgrund unserer Gespräche mit institutionellen Anlegern momentan die höchste Aufmerksamkeit geniessen, und verzichten bewusst auf einen vierten Faktor (Momentum).
Quality-Faktor entdeckt
Neustes Mitglied im Faktorzoo[1] ist der Quality-Faktor. Er ist keine Neuentdeckung, da sich seine Spuren bis zum Vater des Value-Ansatzes, Benjamin Graham (1973), zurückverfolgen lassen. Aber im Vergleich mit den bekannteren Faktoren Value, Size, Momentum oder Low Volatility, ist er ein doch eher unbekanntes Wesen. Während die Praxis (MSCI, FTSE, Russell, S&P, Deutsche Bank, etc.) keinerlei Berührungsängste kennt, ist die Theorie da etwas zurückhaltender. Ein möglicher Grund für die vergleichsweise überschaubare akademische Literatur zum Quality-Faktor mag dessen Facettenreichtum sein.
Quality = Profitabilität?
Während es zu Value und Low Volatility allgemeingültige Definitionen gibt, lässt sich der Quality-Faktor nur schwer greifen. In der Praxis zeigt sich dies darin, dass Quality je nach Ansatz mit Profitabilität (z. B. Eigenkapitalrentabilität), Leverage (z. B. Fremdkapitalanteil), Gewinnstabilität (z. B. Stabilität des Gewinns pro Aktie), Gewinnqualität (Rückstellungen) und/oder Wachstum der Profitabilität (z. B. Wachstum des Gewinns pro Aktie) gleichgesetzt wird. In der akademischen Literatur wird Quality bislang vor allem als «Profitabilität» interpretiert.[2] Wer in Quality investiert, legt sein Geld je nach Ausprägung in profitable, effiziente, stabile und/oder kapitalstarke Unternehmen an und ist bereit, dafür einen höheren Preis zu bezahlen.
Kennzahlen für Value und Low Volatility
Beim Value-Faktor ist dagegen klar, dass er auf günstig bewertete Unternehmen zielt. Allerdings gibt es auch hier eine gewisse Vielfalt an möglichen Kennzahlen, die zur Identifikation des Faktors genutzt werden (z. B. BV/MV Buchwert dividiert durch Marktwert der Aktien, CF/P Cash-Flow dividiert durch Preis, E/P Gewinn dividiert durch Preis oder D/P Dividende dividiert durch Preis). Entsprechend gilt es bei Vergleichen darauf zu achten, welche Kennzahlen für die Zusammenstellung eines Value-Portfolios herangezogen wurden. Im Gegensatz dazu sind beim Low-Volatility-Faktor sowohl das Ziel, wie auch die verwendete Messgrösse eindimensional: Gesucht sind Valoren mit stabilen Renditen (tiefe Standardabweichung und/oder tiefes Aktienbeta). Damit tanzt dieser Ansatz allerdings etwas aus der Reihe. Beim Low-Volatility-Faktor geht das tiefere Risiko einher mit einer mit dem Gesamtmarkt vergleichbaren oder sogar höheren Rendite. Bei den anderen Faktoren steht einzig die Prämie (Rendite) im Fokus; die damit verbundenen Risiken bleiben weitgehend unberücksichtigt.[3] Zudem beruhen der Value- sowie der Quality-Faktor auf Unternehmenskennzahlen, während der Low-Volatility-Faktor in der Regel auf Kursdaten basiert.
Allen Faktoren gemeinsam ist eine höhere Effizienz im Vergleich zum Markt: Der Investor wird im Verhältnis zum eingegangenen Risiko besser entschädigt als bei einem nach Marktkapitalisierung zusammengesetzten Index.
Faktorportfolios im Vergleich
Während der Quality-Faktor aufgrund attraktiver Renditen seit einigen Jahren auf zunehmendes Interesse bei den Anlegern stösst, attestiert man dem Value-Faktor zuweilen ein verlorenes Jahrzehnt.[4] Dem Low-Volatility-Ansatz wird dafür immer wieder unterstellt, dass er sich nicht bedeutend vom Value- oder dem Quality-Ansatz unterscheide.[5] Ein empirischer Vergleich soll deshalb Aufschluss über die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede der drei Strategien hinsichtlich ihrer Performance, des Risikoprofils sowie der Portfoliozusammensetzung geben. Dazu bilden wir drei Portfolios, je eines für die Faktoren Value, Low-Volatility und Quality. Als Datenbasis verwenden wir den amerikanischen Aktienmarkt (MSCI USA) für den Zeitraum vom 31.05.2002 bis 31.05.2018.[6]
Die Gewichte der einzelnen Titel entsprechen ihrer Marktkapitalisierung, was bedeutet, dass höher kapitalisierte Unternehmen einen grösseren Anteil am Portfolio haben.[7] Die zugrundeliegenden Kennzahlen und die Zusammensetzung der Portfolios werden halbjährlich (jeweils per 31.05. und per 30.11.) neu berechnet.
Die Titelselektion für die einzelnen Portfolios bestimmt sich folgendermassen:
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Beim Low-Volatility-Portfolio schaffen es bei jedem Rebalancing jene 30 % der Titel ins Portfolio, welche zu diesem Zeitpunkt die tiefste historische Volatilität über die vergangenen 2 Jahre aufweisen.
- Der Value-Ansatz berücksichtigt analog zum MSCI Prime Value Index folgende Kennzahlen: Kurs-Buchwert-, Kurs-Gewinn-, Kurs-Umsatz- und Kurs-Cash-Earnings-Verhältnis. Die 30 % der Titel mit der vorteilhaftesten Kombination[8] dieser vier Kennzahlen bilden das Value- Portfolio.
- Auch bei der Quality-Strategie dient der MSCI-Faktoransatz als Grundlage: Die 30 % Titel mit der vorteilhaftesten Kombination der drei Kennzahlen Eigenkapitalrentabilität (Gewinn/Eigenkapital), Verschuldungsgrad (Fremdkapital/Eigenkapital) und Gewinnschwankung (Volatilität der Gewinnveränderungen über die letzten 5 Jahre) bilden das Quality-Portfolio.
Damit stehen drei replizierbare Strategien für Vergleichszwecke zur Verfügung.
Empirischer Vergleich der Faktoren Value, Low Volatility und Quality
1. Umschichtungsquote