Zwischen dem Low-Volatility und dem Quality-Investitionsansatz scheint
es so etwas wie eine entfernte Verwandtschaft zu geben, mehr aber nicht:
So lautete das Verdikt der ersten beiden Teile dieser Artikelreihe, wo
wir die beiden Anlagestrategien einem deskriptiven (Teil 1) und qualitativen (Teil 2)
Vergleich unterzogen. Das ebenfalls untersuchte Value-Portfolio scheint
mit den beiden vorgenannten Ansätzen jedoch nahezu nichts gemein zu
haben. In diesem Artikel wollen wir anhand von statistischen Kennzahlen
analysieren, ob der bisherige Befund auch einer quantitativen Auswertung
standhält. Dafür werden die Sensitivitäten der drei Faktorportfolios zu
den in der Finanzliteratur bekannten Fama-French-Faktoren ermittelt.[1]
Erklärungskraft mal fünf
Die drei untersuchten Portfolios setzen alle auf Faktoren, die in der
langen Frist empirisch nachweisbar bessere Risiko-/Renditeeigenschaften
aufweisen als der Marktindex. Die Auswahl dieser Faktoren kommt nicht
von ungefähr. Theorie und Praxis beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit
der Frage, welche systematischen Faktoren die Überrendite von Anlagen
erklären. Aus einer Vielzahl an Antworten haben sich unterschiedliche
Überzeugungen in Bezug auf die beste Anlagestrategie
herauskristallisiert. Für einen fundierten Vergleich der
Renditezusammensetzung der drei hier abgebildeten Investmentansätze
bietet sich das «Fünf-Faktor-Modell» von Eugene Fama und Kenneth French
an, welches eine aktualisierte Version ihres berühmten
«Drei-Faktoren-Modells» aus dem Jahre 1993 darstellt.[2] Gehen Fama und
French im 3-Faktoren-Modell noch davon aus, dass sich die Rendite einer
Aktie im Wesentlichen durch das «Marktrisiko», die «Unternehmensgrösse»
(Size) und die «Bewertung» (Value) erklären lässt, haben die beiden
renommierten Wissenschaftler beim Fünf-Faktor-Modell ihr Universum von
renditetreibenden Faktoren um die - nicht unumstrittenen - Dimensionen
«Profitabilität» und «Investitionstätigkeit» erweitert.[3] Während der
Marktrisikofaktor die Risikoprämie eines über den gesamten Aktienmarkt
diversifizierten Marktportfolios im Vergleich zu einer risikolosen
Anlage wiedergibt, berücksichtigt der Size-Faktor die Tatsache, dass
Aktien mit geringer Börsenkapitalisierung (sogenannte Small Caps)
historisch gesehen eine höhere Rendite erzielt haben als
grosskapitalisierte Valoren (sogenannte Blue Chips). Im Gegensatz dazu
beruht der Value-Faktor auf der Beobachtung, dass Aktien mit niedrigem
Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) im Vergleich zu Aktien mit hohem KBV im
Schnitt eine höhere Rendite abwerfen. Die beiden neu hinzugenommenen
Faktoren zielen auf verschiedene Aspekte von «Qualität» ab. Während der
Profitabilitäts-Faktor auf eine erhöhte Rendite von Aktien mit guter
operativer Ertragskraft setzt, geht der Investitions-Faktor davon aus,
dass eine hohe Investitionstätigkeit, gemessen als stark wachsende
Bilanzsumme, sinkende Profitabilität mit sich bringt und das Risiko
erhöht.[4] Das «Fünf-Faktor-Modell» ist für unsere Belange interessant,
da es misst, wie stark eine Anlagestrategie gegenüber den von Fama und
French identifizierten wesentlichen Renditetreibern exponiert ist.
Entsprechend eignet sich das Fünf-Faktor-Modell gut, um die Unterschiede
und Gemeinsamkeiten zwischen den Anlagerenditen der drei von uns
untersuchten Portfolios zu lokalisieren.
Volatilität gehört dazu
Da wir ein Value-, ein Quality- und ein Low Volatility-Portfolio
unter die Lupe nehmen, ist es sinnvoll, zusätzlich zum
Fünf-Faktor-Modell, welches bereits Value und Quality beinhaltet, einen
Volatility-Faktor in die statistische Untersuchung einzubeziehen. Der
Volatility-Faktor setzt auf den unter dem Namen «Low Volatility Puzzle»
bekannten empirischen Effekt, wonach Titel mit tiefer Volatilität in der
langen Frist oft besser abschneiden, als solche mit hoher Volatilität.
Analog der Methodik von Fama-French konstruieren wir den
Volatility-Faktor als Long-Short-Portfolio, wobei Aktien mit historisch
tiefer Volatilität ein positives Gewicht (Long) und Aktien mit hoher
Volatilität ein negatives Gewicht (Short) bekommen.
Bei der Erklärung der Renditen der drei Portfolios anhand der
Fama-French-Faktoren und dem zusätzlichen Volatility-Faktor sind klare
Muster zu erkennen (siehe Tabelle und Grafik). Wie zu erwarten, weisen
die Portfolios nebst dem Marktfaktor das höchste Exposure zu demjenigen
Faktor auf, welcher aufgrund der Konstruktionskriterien in ihm enthalten
sein sollte. So wird das Value-Portfolio mehrheitlich vom Value-Faktor,
das Quality-Portfolio von Profitabilität und das
Low-Volatility-Portfolio vom Volatilitäts-Faktor getrieben.
Die Analyse der Koeffizienten und deren statistischer Signifikanz
hilft uns die Gemeinsamkeiten und Differenzen der drei untersuchten
Portfolios besser zu verstehen. Beim Low-Volatility- und
Quality-Portfolio wird deutlich, dass beide von den Faktoren Risiko und
Profitabilität beeinflusst sind. Die Renditen der beiden Portfolios
werden zwar positiv von Aktien mit tieferem Risiko und hoher
Profitabilität getrieben, doch bei der Höhe der Koeffizienten zeigen
sich klare Unterschiede. Das Low-Volatility-Portfolio ist stark vom
Risiko-Faktor getrieben, während das Quality-Portfolio gegenüber dem
Volatility-Faktor zwar ein statistisch signifikantes, aber wesentlich
kleineres Exposure aufweist. Zudem gibt es noch weitere
Differenzierungsmerkmale. Beim Investitions- und Value-Faktor zeigt
sich, dass Low-Volatility und Quality keinen gleichwertigen Ersatz für
einander sind. Während sich das Low-Volatility-Portfolio schwergewichtig
aus Unternehmen mit geringer Investitionstätigkeit zusammensetzt,
welche positiv zur Rendite beitragen, kann beim Quality-Portfolio keine
vergleichbare Aussage gemacht werden. Der entsprechende
Regressionskoeffizient ist hier sogar leicht negativ, aber statistisch
nicht signifikant. Beim Value-Faktor wird der Unterschied zwischen den
beiden Anlageparadigmen noch deutlicher: Während das Low
Volatility-Portfolio gegenüber dem Value-Faktor kein wesentliches
Exposure aufweist, lädt der Quality-Ansatz stark negativ auf den
Value-Faktor. Diese negative Sensitivität erweist sich als kritisch für
das Quality-Portfolio, da hier Titel mit hoher Bewertung die Rendite
negativ beeinflussen. Eine Tatsache, die es bei der
Portfoliokonstruktion zu beachten gilt.
Aus der Analyse der Regressionskoeffizienten des Value-Portfolios
lässt sich schliesslich eine wichtige Erkenntnis zur Titelselektion
gewinnen. Das Value-Portfolio zeigt, wie konstruktionsbedingt zu
erwarten ist, eine stark positive Sensitivität gegenüber dem
Value-Faktor. Unter den vom Value-Portfolio selektierten Valoren findet
sich aber auch eine grosse Zahl von Titeln mit hoher Volatilität, was
sich in einem negativen Koeffizienten gegenüber dem Volatilitäts-Faktor
zeigt, und einen wichtigen Grund für die vergleichsweise schwache
Performance des Value-Portfolios darstellt. Bei der Konstruktion eines
Value-Portfolios gilt es somit der Risikokomponente der einzelnen Titel
explizit Rechnung zu tragen. Dies ist wichtig um eine sogenannte «Value
Trap» zu vermeiden. Nur so lässt sich verhindern, dass ein
Value-Portfolio in Aktien investiert, welche bewertungsmässig zwar
günstig aussehen, aber auch sehr riskant oder sogar am Rande eines
Bankrotts sind. Kurz und knapp folgern wir daraus, dass bei der
Konstruktion eines Value-Portfolios das Risiko und bei der Strukturierung eines Quality-Portfolios die Bewertung im Auge behalten werden sollte.
Die Koeffizienten der drei Portfolios gegenüber den übrigen beiden
Faktoren Markt und Grösse liefern keine Differenzierungsmerkmale. Wie zu
erwarten, erweist sich der Markt-Faktor als für alle Portfolios
wichtigster und vergleichbar starker Renditetreiber. Dass der
Size-Faktor für alle drei Portfolios ein negatives Vorzeichen aufweist,
ist deren Zusammensetzung geschuldet, da nur Aktien von mittleren und
grossen Unternehmen zur Konstruktion der Portfolios beigezogen wurden.
Volatility und Quality: Zwei eigenständige Faktoren
Die Renditen beim Low-Volatility- und Quality-Portfolio sind gemäss
unserer Analyse also beide von Risiko und Profitabilität beeinflusst,
jedoch in unterschiedlich starker Ausprägung. Das gleiche Bild zeigt
sich bezüglich der Sensitivitäten zum Value- und Investitions-Faktor:
Auch hier gibt es erhebliche Differenzen. Gepaart mit den Erkenntnissen
aus den ersten beiden Artikeln manifestiert sich somit die Erkenntnis,
dass es zwischen dem Quality-Investing und dem Low-Volatility-Ansatz
durchaus Gemeinsamkeiten gibt, während der Value-Ansatz den Fokus anders
legt. Schaut man aber etwas differenzierter hin, so wird deutlich, dass
es zwischen all den vorgenannten Anlageparadigmen fundamentale
Unterschiede gibt. Low-Volatility und Quality haben zwar gewisse
Berührungspunkte, aber es sind definitiv eigenständige
Investitionsansätze.
Offen bleibt die Frage, wie sich die drei Portfolios während
unterschiedlichen Marktzyklen verhalten. Dies werden wir im kommenden 4.
Teil der Analyse genauer untersuchen.
[1] Die Sensitivitäten entsprechen den Koeffizienten einer multiplen
linearen Regression der Portfoliorenditen auf die Fama-French Faktoren.
Mittels eines statistischen Tests (t-Test) können die Resultate
bezüglich deren Signifikanz überprüft werden.
[2] Fama, E., French, K., 2015. A Five-Factor Asset Pricing Model. Journal of Financial Economics 116, 1 – 22
[3] Blitz et al., 2018. Five Concerns with the Five-Factor Model. The Journal of Portfolio Management 44, 71 - 78
[4] Novy-Marx, R., 2013. The other side of value: The gross profitability premium. Journal of Financial Economics 108, 1–28.