Ist nachhaltiges Anlegen ein europäischer Trend – oder eine globale Entwicklung?
Europa hat derzeit den Lead. Regulatorisch wird sich in den USA in den nächsten Jahren kaum etwas tun. Doch es gibt dort bereits seit langem viele sehr aktive institutionelle Anleger. Die Stadt New York zum Beispiel hat beschlossen, fossile Energieträger aus ihrem Portfolio zu verbannen. Die kalifornischen Lehrerpensionskassen führen seit vielen Jahren einen intensiven Dialog über ESG-Themen mit den Unternehmen, in die sie investieren. In Asien ist ESG noch wenig etabliert, doch mehrere grosse öffentliche Investoren haben das Thema aufgegriffen, so z. B. der Government Pension Fund von Japan.
Und bei den Privatanlegern?
Der Privatkundenmarkt ist eher ein Verkäufermarkt mit einer trägeren Entwicklung. Die Vorteile einer ESG-Integration sind noch nicht bis zu allen Kundenberatern durchgedrungen.
Welche Ziele verfolgen Pensionskassen, wenn sie Nachhaltigkeitskriterien einbinden?
Wir sehen drei verschiedene Ziele, die sie damit verfolgen. Das erste ist ethischer Natur: Die Anlagen mit den Werten der eigenen Organisation oder auch mit internationalen Normen in Einklang bringen. Das zweite Ziel ist ein besseres Rendite-Risiko-Profil: durch die ESG-Integration lassen sich gewisse Risiken eliminieren und neue Chancen erschliessen. Eine dritte Motivation ist der Beitrag zu einer nachhaltigen Wirtschaft, damit sie auch in 50 oder 100 Jahren noch eine Rendite erwirtschaften können.
Der Nachweis, dass Nachhaltigkeit rentiert, fehlt jedoch bislang...
Es kommt darauf an, auf welcher Stufe man hinschaut. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass gut geführte Unternehmen mit guten Nachhaltigkeitsstrategien bessere Finanzkennzahlen ausweisen. Das Ziel ist, dies auch in die Portfolios zu übersetzen. Dabei ist das Bild bislang gemischt. Es ist sicher nicht so, dass nachhaltiges Anlegen automatisch zu einer besseren Performance führt – umgekehrt aber auch nicht. Es kommt sehr darauf an, wie man es macht. Meist resultiert eine normale Rendite, die jedoch dank dem höheren ESG-Niveau mit weniger Risiko zustande kommt.
Die Einhaltung von ESG-Kriterien verursacht auch Kosten. Können sich Pensionskassen dies leisten?
Viele nachhaltigen Anlagen werden als aktive Fonds angeboten. Deren Kosten sind naturgemäss höher als die Kosten oft eingesetzter passiver Indexprodukte, wobei aktive Produkte ja andere Vorteile haben. Aber es gibt zunehmend auch gute passive Lösungen, die kostenmässig mit den Standardindexprodukten mithalten können.
Kostet die ESG-Integration noch extra?
Ein Asset Manager kann es sich heute nicht mehr leisten, für die ESG-Integration Zusatzkosten zu verlangen. Das wird vom Markt vorausgesetzt.
Ist Nachhaltigkeit ein paar Basispunkte Performance wert?
Die Frage ist falsch gestellt. Pensionskassen dürfen und sollen keine Performanceeinbusse in Kauf nehmen, um nachhaltig zu sein. Das Ziel der ESG-Integration muss sein, die Diversifikation und die Risiko-Rendite-Effizienz des Portfolios zu verbessern.