«Return waste» trotz Negativzinsen? In der Tat: Viele Anleger – private wie institutionelle – lassen ihren «free lunch» auf dem Teller zurück, weil sie nur auf die Rendite fokussieren und das zugrundeliegende Risiko ihrer Anlagen vernachlässigen. Die eindimensionale Renditejagd führt zu Portfolios, die nicht adäquat diversifiziert sind. Das geht ins Geld: Eine bessere Diversifikation erhöht die Portfolio-Effizienz, so dass bei gleichem Risiko eine bessere, oder mit weniger Risiko eine gleich hohe Rendite herausschaut – gratis! Wie dieser Trade-Off zwischen Risiko und Rendite am besten anzugehen ist, wurde erstmals von Harry Markowitz im Jahr 1952 wissenschaftlich analysiert.[1] Das Prinzip der Diversifikation ist so alt wie die Menschheit. Was Markowitz einstimmig zugeschrieben wird, ist deren Formalisierung, als Weg zur Verbesserung der Performance und des damit verbundenen Konzeptes der Portfolio-Effizienz.[2] Bis zu diesem Zeitpunkt wurde das Risiko von Investitionen weder systematisch quantifiziert noch in den Anlageentscheidungsprozess miteinbezogen. Dieser basierte grundsätzlich auf dem Ziel einer Renditemaximierung, was teilweise auch heute noch oft der Fall ist. OLZ hingegen integriert das Risiko systematisch in die Gestaltung von Anlagelösungen.
Diese Research Note soll Anlegern Markowitz’ Lehre wieder in Erinnerung rufen: Die Erkenntnis, dass eine systematische Diversifikation durch den Einbezug der Risiken und der Korrelationen in den Anlageprozess die Performance langfristig zu verbessern vermag. Das gilt sowohl bei der Definition der Anlagestrategie, wie auch bei deren Umsetzung, der Asset Allocation.
Die Bausteine des Anlageprozesses sind die Anlageklassen. Im ersten Teil gehen wir auf die Eigenschaften von Anlageklassen ein, und deren Bedeutung für die Festlegung der Anlagestrategie. Im zweiten Teil zeigen wir, wie wichtig es ist, klar zu unterscheiden zwischen der Anlagestrategie und deren Umsetzung, der effektiven Asset Allocation. Im letzten Abschnitt zeigen wir, dass mit einem aktiven Risikomanagement die Freiheitsgrade der Anlagestrategie ausgenutzt und dadurch die Performance verbessert werden kann, ohne die Liquidität zu mindern oder die Kosten und die Komplexität zu erhöhen.
Anlageklassen und ihr Beitrag zur Diversifikation
Die Anlageklassen sind die Bausteine der Anlagestrategie. Eine Anlageklasse umfasst Wertpapiere mit homogenen, vergleichbaren Rendite und Risikoeigenschaften. Wichtig ist, dass sich diese deutlich von den Eigenschaften anderer Anlageklassen unterscheiden. Diese Heterogenität ist Voraussetzung dafür, dass die Aufnahme einer Anlageklasse in ein Portfolio die Diversifikation und somit die Portfolio-Effizienz verbessert. Die Selektionsfähigkeit und die spezifischen Kompetenzen des Asset Managers in der Umsetzung spielen dabei noch keine Rolle.
Ein wichtiges Kriterium einer Anlageklasse ist, dass sie allen Anlegern zur Verfügung steht und nicht nur Spezialisten oder bestimmten Anlegergruppen. Sie muss zu angemessenen Kosten investierbar und in der Lage sein, ein grosses Investitionsvolumen ohne Liquiditätsengpass zu absorbieren.
Normalerweise sind Wertpapiergruppen in Indizes organisiert, wobei jedes Wertpapier entsprechend seiner relativen Marktkapitalisierung gewichtet wird. Auf diese Weise erfüllt die Anlageklasse eine weitere Anforderung: Transparenz und Stabilität in ihrer Struktur.
Eine Kombination verschiedener Anlageklassen (Hedge Funds) sollte nicht als eigenständige Anlageklasse betrachtet werden. Auch Hochzinsanleihen, die die Eigenschaften von Anleihen und Aktien kombinieren, sind (in einem puristischen Sinn) nicht als eigene Anlageklasse zu betrachten.
Das Effizienzsteigerungspotenzial hängt vom Grad der Risiko-Renditestreuung zwischen den Anlageklassen ab. Je geringer die Abhängigkeiten zwischen den Anlagen (Korrelationen), desto grösser ist der Diversifikationseffekt. Auch wenn unter Anlegern weitgehend Einigkeit über die Definition einer Anlageklasse besteht: In der Realität variieren die Abgrenzung und die Klassifizierung. Das führt dazu, dass sich die Anlagestrategien von PeerGruppen unterscheiden, sowohl in ihrer Zusammensetzung, wie auch bezüglich Komplexität.
Asset Allocation: Die Umsetzung der Anlagestrategie
Die effektive Umsetzung – die Asset Allocation – kann durch eine passive Replikation des Benchmarks erfolgen, oder aktiv implementiert werden. Erst im zweiten Fall kommen das aktive Management und die Selektionsfähigkeit des Portfoliomanagers ins Spiel. Heutzutage gehört es unter Anlegern zum guten Ton, die Diversifikation und die Portfolio-Effizienz in den Vordergrund zu stellen. Die Realität sieht dann etwas anders aus.
In Fachpublikationen wird immer wieder zitiert, dass die Strategische Asset Allocation 90 % der Portfolioperformance bestimme. Folglich wäre die effektive Umsetzung, also die zweite Ebene des Anlageprozesses, kaum von Bedeutung[3]. Diese Aussage bedarf einer Klarstellung, weil das Risiko besteht, dass sie sonst falsch interpretiert wird. Die obige Aussage trifft zu, wenn a priori von einer passiven oder Benchmark nahen Umsetzung der Anlagestrategie ausgegangen wird. Darin steckt auch die Meinung, dass aktives Management oder die Portfoliooptimierung nichts bringt.
Doch wie bereits Markowitz festgestellt hat, ist der marktkapitalisierte Index kein effizientes Portfolio. Wer seine Asset Allocation optimiert, um die Portfolio-Effizienz zu verbessern, oder sie im Zeitverlauf anpasst, um auf veränderte Marktrisiken zu reagieren (wie wir später zeigen werden), erhöht automatisch den Effekt auf die Performance. Je mehr die effektive Portfoliostruktur vom Benchmark abweicht, desto stärker wird die Performance von den aktiven Anlageentscheiden beeinflusst.
Wäre die Anlagestrategie so dominant wie kolportiert wird, müsste die Renditedifferenz zwischen zwei Portfolios einzig durch die unterschiedliche Anlagestrategie erklärbar sein. Verschiedene Studien haben zum Ziel, den Beitrag des aktiven Managements (sog. Überschussrendite) zu ermitteln. Dies geschieht durch einen Peer-Group Vergleich verschiedener Pensionskassen oder Fonds. Dabei wird bei jedem Portfolio die Benchmark-Rendite mit den effektiv erzielten Renditen verglichen (Querschnittsregression). Dadurch lässt sich die durchschnittliche Rendite der Peer Group neutralisieren. Dies ist relevant für institutionelle Investoren wie Pensionskassen oder Versicherungen, die unabhängig von der Marktlage investiert sein müssen (d. h. für die ein kompletter Ausstieg aus dem Markt keine Option darstellt). Damit lässt sich der FlutEffekt des Marktes neutralisieren, der sowieso alle Boote anhebt, unabhängig von der Benchmark und der aktiven Asset Allocation.
Aus diesen Vergleichen resultiert, dass die Anlagestrategie (Benchmark) weniger als 50 % des Renditeunterschieds zwischen verschiedenen Fonds erklärt[4], was nichts anderes bedeutet, als dass die Umsetzung mindestens genauso wichtig ist wie die Anlagestrategie.[5]
Mit anderen Worten: Wer bei der Umsetzung der Anlagestrategie passiv vorgeht und den Benchmark zum Portfolio macht, folgt Markowitz nur auf halbem Weg und lässt die Hälfte seines «free lunch» unangetastet stehen. Für institutionelle Anleger wie Pensionskassen, die in einem Spannungsfeld zwischen Sollrendite und Tiefzinsumfeld stecken, sollte das keine Option sein.
«Within horizon» Risiko: Das Dilemma der Pensionskassen
Grundsätzlich gilt: Je länger der Anlagehorizont, desto höher die Risikofähigkeit. Für Anleger, die sich vor allem für den Wert des Portfolios am Ende der Anlageperiode interessieren und zwischenzeitliche Schwankungen aussitzen können, trifft dies auch zu. Institutionelle Investoren hingegen unterstehen regulatorischen Anforderungen bezüglich Deckungsgrad und Verlustrisiko. Für sie ist nicht nur das «end-of-horizon Risiko», sondern auch das «within-horizon Risiko» bindend. Obwohl Pensionskassen über einen sehr langen Anlagehorizont verfügen, können sie kurzfristige Wertschwankungen nicht einfach aussitzen, sondern müssen Massnahmen ergreifen.
Ihre Risikofähigkeit entspricht aufgrund der laufenden Verpflichtungen und Anforderungen nicht dem eigentlichen Anlagehorizont, wodurch auch die zu erwartende Rendite tiefer ausfällt. Zudem müssen Pensionskassen ihren Versicherten eine Mindestrendite gewähren. Dies führt dazu, dass der Fokus auf die Rendite oft zulasten eines langfristig ausgerichteten Risikomanagements geht.
Der Druck, eine Mindestrendite erzielen zu müssen, erhöht das Interesse für alternative Anlagen, die eine höhere Rendite versprechen. Das Angebot ist gross und wird von der Finanzindustrie laufend erweitert. Dazu zählen: Risikokapitalanlagen (Private Equity, Venture Capital), Infrastrukturanlagen, hochriskante Zinsanlagen (Private Debt, Distressed Debt, High Yield Debt) oder Hedge Funds Strategien.
Alternative Anlagen – «Do not try this at home»
«Nicht zuhause nachmachen» warnen Feuerschlucker und Messerwerfer. Dasselbe gilt für komplexe Anlagen. Eine Erweiterung der Anlagestrategie mit alternativen Anlagen kann durchaus sinnvoll sein, und zu einer besseren Diversifikation und zu einer höheren Rendite beitragen.[6] Doch sie erfordert vom Anleger ein hohes Mass an Erfahrung und Finanzwissen, sowie eine gute Governance der Anlagepolitik. Alternative Anlagen steigern die Komplexität massiv, was viele Ressourcen im Portfoliomanagement absorbiert.[7] Zudem sind sie in der Regel deutlich teurer als Aktien und Anleihen[8], und es gilt, gewisse spezifische Risiken zu beachten, besonders in Bezug auf die begrenzte Liquidität.[9] Die in vielen alternativen Anlagen ausgewiesene Volatilität beruht nicht auf täglich am Markt gehandelten (Mark-to-Market), sondern auf geschätzten Preisen (Appraisal Value), deren Schwankung tiefer ausfällt.[10] Die Risikokennzahlen (Standardabweichung und Korrelation) sind deshalb nicht mit liquiden Anlagen vergleichbar. Die Finanzkrise des Jahres 2008 war auch eine Folge davon, dass die Risiken von komplexen Anlageprodukten falsch eingeschätzt worden sind. Der vermeintliche Diversifikationseffekt dieser Anlagen erwies sich als blosse Kosmetik und verkehrte in der Krise ins Gegenteil. Der für Finanzkrisen typische Rückgang der Liquidität führte dazu, dass die Korrelation zwischen vermeintlich diversifizierenden Anlagen gegen 1 (volle Korrelation) tendierte.
Anlegen nach Markowitz 1.0: 70-jährig und kein bisschen überholt
Wie lässt sich die Rendite verbessern, ohne das Risiko und die Kosten zu erhöhen oder die regulatorischen Rahmenbedingungen zu verletzen? Der einfachste und auch günstigste Ratschlag lautet immer noch: Markowitz befolgen. Statt die Anlagestrategie mit komplexen, teuren und schwer verständlichen alternativen Anlagen zu erweitern, empfiehlt OLZ eine «altmodische» Anlagestrategie, die auf den Grundbausteinen Cash, Anleihen und Aktien basiert. Diese sollte jedoch nicht passiv umgesetzt, sondern risikobasiert optimiert werden. Das Ziel der Optimierung ist ein rendite-risiko-effizientes Portfolio. Hierzu müssen konsequent die Risikoeigenschaften jeder Anlage berücksichtigt werden. Markowitz hat stets betont, dass die Gewichtung nach der Marktkapitalisierung keine effiziente Form der Portfoliobildung sei. Der Fokus auf Risiko und Diversifikation ist gemäss Markowitz der einzige «free-lunch» für Anleger.[11] Fast 70 Jahre nach dem Erscheinen seiner Forschungsarbeiten ist dieser «Lunch» aufgrund der exponentiellen Zunahme passiver Anlagen sogar noch etwas üppiger geworden.[12]