Risiken navigieren in einer sich verändernden Welt – Ein Gespräch mit Robert Engle

Wir freuen uns, ein exklusives Interview mit Nobelpreisträger und Professor Emeritus Robert Engle zu präsentieren, dessen bahnbrechende Arbeit über dynamische Volatilität und Korrelationen unser Verständnis von der Messung und dem Management finanzieller Risiken neu geformt hat. Von seinen Modellen bis hin zu den Echtzeitindikatoren im Volatility Lab der NYU hat Engle Finanzökonomen und Praktikern geholfen, besser zu verstehen, wann und wie sich die Marktvolatilität bewegt.

Wir haben uns mit ihm zusammengesetzt, um drei drängende Risikodimensionen zu beleuchten, die derzeit globale Investitionsentscheidungen prägen: geopolitisches Risiko, steigende Marktkonzentration und Klimarisiken. Jedes dieser Themen verändert die Finanzlandschaft strukturell, stellt traditionelle Modelle und Investmentstile in Frage und erfordert neue Werkzeuge und Einsichten.

Das Gespräch wird moderiert von Dr. Gianluca De Nard, unserem Leiter der quantitativen Forschung, der gemeinsam mit Robert Engle zu Themen wie Klimarisikomodellierung, Volatilitätsprognosen und Portfoliooptimierung geforscht und publiziert hat. Zusammen bieten sie einen fundierten und praxisnahen Einblick in die Entwicklung von Risiken – und zeigen auf, wie sich Investoren darauf vorbereiten können.

Teil 1: Geopolitisches Risiko und globale Unsicherheit 

„Wir leben in einer Welt, in der die Volatilität nicht immer von den Märkten kommt, sondern von Schlagzeilen.“


Robert Engle – Nobelpreisträger & Professor Emeritus.

Robert Engle – Nobelpreisträger & Professor Emeritus

Im ersten Teil unseres exklusiven Gesprächs mit dem Nobelpreisträger Robert Engle beleuchten wir die zunehmende Welle geopolitischer Risiken und deren Auswirkungen auf die Finanzmärkte. Von Pandemien über Zölle bis hin zu Kriegen – diese Ereignisse sind zu globalen wirtschaftlichen Schockwellen geworden, die zunehmend schwer vorherzusagen sind. Globale Unsicherheit ist in den Mittelpunkt der Sorgen von Investoren gerückt.

Geopolitisches Risiko neu denken

Traditionelle geopolitische Risikoindizes stützen sich häufig auf Nachrichtensentiment oder Experteneinschätzungen. Engles Forschungsteam verfolgt jedoch, insbesondere über das V-Lab der NYU, einen anderen Ansatz: Sie analysieren direkt die Finanzmärkte, um das herauszufiltern, was Engle als „Common Volatility Risk“ (CoVol) bezeichnet.

Gianluca De Nard: „Gibt es Tage, an denen Nachrichten so einflussreich sind, dass Märkte auf der ganzen Welt stärker schwanken als ihre vorhergesagte Volatilität?“

Robert Engle: „Dabei handelt es sich um gemeinsame Schocks – häufig geopolitischer, aber auch wirtschaftlicher, medizinischer oder anderer Natur“

Dieser statistische Ansatz identifiziert globale Volatilitätsspitzen über Ländergrenzen und Anlageklassen hinweg – wie etwa am 20. Februar 2020 (COVID-Schock), während des Brexits oder bei den Wiedereröffnungen nach dem 11. September. „Nicht alle bedeutenden Nachrichtenereignisse führen zu gemeinsamen Marktschocks. So löste beispielsweise die Invasion Russlands in der Ukraine in ihrem Modell keine nennenswerten Ausschläge aus: Manche Ereignisse, von denen man erwarten würde, dass sie relevant sind – wie der Beginn des Ukrainekriegs –, erscheinen nicht als globale Volatilitätsereignisse. Das könnte daran liegen, dass die Märkte nicht materiell exponiert waren oder dass die USA wirtschaftlich durch Verteidigungsausgaben profitierten.“

Extremereignisse und Anlageimplikationen

Wie sollten Anleger auf dieses neue Volatilitätsregime reagieren? Für Engle ist klar, dass geopolitische Schocks als Extremrisiken funktionieren – plötzlich, extrem und oft schwer vorherzusagen: „Sie betreffen viele Vermögenswerte gleichzeitig – es kommt zu portfolioweiten Verlusten, selbst wenn die Allokation diversifiziert scheint.“

Eine mögliche Reaktion? Anpassung der Ländergewichtungen basierend auf ihren CoVol-Faktorbelastungen – also wie sensibel die Märkte der einzelnen Länder auf globale Volatilitätsschocks reagieren. Engle merkt an, dass Länder mit hoher Exponierung gegenüber gemeinsamen Volatilitätsschocks niedrigere Gewichtungen in einem risikoorientierten Portfolio verdienen könnten. Kleinere oder weniger vernetzte Volkswirtschaften könnten Diversifikationsvorteile bieten. In traditionellen Marktindizes sind sie jedoch häufig untergewichtet, was zu einer Abweichung vom Benchmark führt.“

Dieser Ansatz stellt passive Anlagestrategien in Frage, die oft konzentrierte Märkte wie die USA stärker gewichten, und zeigt den Vorteil gut verwalteter, risikoorientierter Portfolios mit geringerer Konzentrationsgefahr auf Länder-, Sektor- und Unternehmensebene.

„Kleinere oder weniger vernetzte Volkswirtschaften könnten Diversifikationsvorteile bieten."


Robert Engle – Nobelpreisträger & Professor Emeritus.

Robert Engle – Nobelpreisträger & Professor Emeritus

Eine strukturelle Verschiebung des globalen Risikos?

De Nard: „Wir befinden uns ganz offensichtlich in einem instabileren geopolitischen Umfeld. Handelt es sich dabei um eine vorübergehende Schwankung – oder um einen langfristigen Regimewechsel?“

Engle: „Ich glaube nicht, dass wir auf VIX-Niveau einen deutlichen Trend beobachtet haben, der einen strukturellen Wandel bestätigen würde. Aber wir sehen zunehmend anhaltende Überraschungen – und Märkte, die heftiger darauf reagieren.“

Besondere Sorge bereitet ihm die Rückkehr von Handelskriegen:Die Zollankündigungen der Trump-Regierung gehörten in unserem Index zu den bedeutendsten globalen Risikoereignissen. Solche politischen Schocks bergen erhebliche Abwärtsrisiken. Sie stehen im völligen Widerspruch zu allem, was wir aus der Handelstheorie gelernt haben.“

Er äussert ausserdem Bedenken bezüglich der Irrationalität einiger geopolitischer Entscheidungen, insbesondere Zölle und Deglobalisierung: „Moderne Volkswirtschaftslehre wird in den Müll geworfen. Die Reindustrialisierung der USA wird keine Jobs schaffen – sie wird Roboter einstellen, zu hohen Kosten.“

Das derzeitige Umfeld könnte, so argumentiert er, eine politische und wirtschaftliche Wende hin zu Fragmentierung widerspiegeln – mit erheblichen Auswirkungen auf langfristiges Wachstum, Inflation und finanzielle Stabilität. Diese Risiken sollten bei Anlageentscheidungen nicht übersehen werden. In Zeiten finanzieller Turbulenzen wird eine gut durchdachte und systematische Anlagestrategie wichtiger denn je.

„Die Zollankündigungen der Trump-Regierung gehörten in unserem Index zu den bedeutendsten globalen Risikoereignissen."


Robert Engle – Nobelpreisträger & Professor Emeritus.

Robert Engle – Nobelpreisträger & Professor Emeritus

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