Im letzten Teil unserer Interviewreihe mit Nobelpreisträger Robert Engle wenden wir uns vielleicht der komplexesten und langfristigsten Quelle finanzieller Risiken zu: dem Klimawandel. Es ist eine Herausforderung, die von wissenschaftlicher Unsicherheit, politischer Divergenz und tiefen Fragen geprägt ist – wie Risiko über Jahrzehnte statt Tage gemessen, bewertet und gesteuert werden kann.
Die ESG-Kluft: USA vs. Europa
Einer der sichtbarsten Trends der letzten Jahre ist die wachsende transatlantische Kluft in Bezug auf ESG- und klimabezogene Investitionen. Robert Engle sagt dazu: „Wir erleben eine grundlegende Veränderung in den USA. Die Trump-Regierung ist nicht nur gegen Regulierung – sie ist gegen die Wissenschaft, einschliesslich der Klimawissenschaft.“
Im Gegensatz dazu treibt Europa weiterhin ESG-Regulierungen, nachhaltige Finanzinitiativen und Offenlegungen von Klimarisiken voran. Diese Divergenz schafft Verwirrung und Fragmentierung auf den globalen Kapitalmärkten – und Herausforderungen für multinationale Investoren.
Wird ESG missverstanden und missbraucht?
Engle bringt einen klaren Punkt vor: ESG-Scores sind oft schlechte Indikatoren für tatsächliche Klimarisiko-Exponierung. „Die ESG-Daten scheinen wenig vorherzusagen. Der E-Score – insbesondere Emissionen – hat einen gewissen Wert, aber sobald man für den Sektor kontrolliert, verliert er an Bedeutung.“
Er argumentiert, dass sich Investoren weniger auf ESG-Branding und stärker auf die wirtschaftliche Exponierung gegenüber Transitionsrisiken konzentrieren sollten – also darauf, wie sich der Unternehmenswert im Zuge des Übergangs zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft verändern könnte.
Grün vs. Braun: Risikoprämien neu denken
Engles und De Nards neueste gemeinsame Forschung konzentriert sich auf „Transitionsrisiko“-Portfolios – bei denen Aktien nicht anhand ihrer ESG-Scores, sondern anhand ihrer marktbasierenden Sensitivität gegenüber Klimatransitionsschocks klassifiziert werden: "Wir definieren grüne Aktien als jene mit negativer Exponierung gegenüber Übergangsrisiken – Aktien, die vom grünen Wandel profitieren. Braune Aktien sind das Gegenteil."
Dieser Ansatz hilft zu identifizieren, welche Unternehmen der Markt als Gewinner oder Verlierer im Zuge der Klimapolitik einschätzt. Er ermöglicht es auch, Hedge-Portfolios zu bauen – long grün, short braun – um Klimaexpositionen zu reduzieren, ohne auf intransparente ESG-Daten von Drittanbietern angewiesen zu sein.