Risiko / Nachhaltigkeit
03. Juli 2025
5 Minuten

Risiken navigieren in einer sich verändernden Welt – Ein Gespräch mit Robert Engle Teil 3

Wir freuen uns, ein exklusives Interview mit Nobelpreisträger und Professor Emeritus Robert Engle zu präsentieren, dessen bahnbrechende Arbeit über dynamische Volatilität und Korrelationen unser Verständnis von der Messung und dem Management finanzieller Risiken neu geformt hat. Von seinen Modellen bis hin zu den Echtzeitindikatoren im Volatility Lab der NYU hat Engle Finanzökonomen und Praktikern geholfen, besser zu verstehen, wann und wie sich die Marktvolatilität bewegt.

Wir haben uns mit ihm zusammengesetzt, um drei drängende Risikodimensionen zu beleuchten, die derzeit globale Investitionsentscheidungen prägen: geopolitisches Risiko, steigende Marktkonzentration und Klimarisiken. Jedes dieser Themen verändert die Finanzlandschaft strukturell, stellt traditionelle Modelle und Investmentstile in Frage und erfordert neue Werkzeuge und Einsichten.

Das Gespräch wird moderiert von Dr. Gianluca De Nard, unserem Leiter der quantitativen Forschung, der gemeinsam mit Robert Engle zu Themen wie Klimarisikomodellierung, Volatilitätsprognosen und Portfoliooptimierung geforscht und publiziert hat. Zusammen bieten sie einen fundierten und praxisnahen Einblick in die Entwicklung von Risiken – und zeigen auf, wie sich Investoren darauf vorbereiten können.

Teil 3: Klimarisiko und Finanzmärkte

„Klimarisiko ist keine Geschichte für das nächste Quartal – es ist die prägende Unsicherheit der nächsten Generation.“


Robert Engle – Nobelpreisträger & Professor Emeritus.

Robert Engle – Nobelpreisträger & Professor Emeritus

Im letzten Teil unserer Interviewreihe mit Nobelpreisträger Robert Engle wenden wir uns vielleicht der komplexesten und langfristigsten Quelle finanzieller Risiken zu: dem Klimawandel. Es ist eine Herausforderung, die von wissenschaftlicher Unsicherheit, politischer Divergenz und tiefen Fragen geprägt ist – wie Risiko über Jahrzehnte statt Tage gemessen, bewertet und gesteuert werden kann.

Die ESG-Kluft: USA vs. Europa

Einer der sichtbarsten Trends der letzten Jahre ist die wachsende transatlantische Kluft in Bezug auf ESG- und klimabezogene Investitionen. Robert Engle sagt dazu: „Wir erleben eine grundlegende Veränderung in den USA. Die Trump-Regierung ist nicht nur gegen Regulierung – sie ist gegen die Wissenschaft, einschliesslich der Klimawissenschaft.“

Im Gegensatz dazu treibt Europa weiterhin ESG-Regulierungen, nachhaltige Finanzinitiativen und Offenlegungen von Klimarisiken voran. Diese Divergenz schafft Verwirrung und Fragmentierung auf den globalen Kapitalmärkten – und Herausforderungen für multinationale Investoren.

Wird ESG missverstanden und missbraucht?

Engle bringt einen klaren Punkt vor: ESG-Scores sind oft schlechte Indikatoren für tatsächliche Klimarisiko-Exponierung. „Die ESG-Daten scheinen wenig vorherzusagen. Der E-Score – insbesondere Emissionen – hat einen gewissen Wert, aber sobald man für den Sektor kontrolliert, verliert er an Bedeutung.“

Er argumentiert, dass sich Investoren weniger auf ESG-Branding und stärker auf die wirtschaftliche Exponierung gegenüber Transitionsrisiken konzentrieren sollten – also darauf, wie sich der Unternehmenswert im Zuge des Übergangs zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft verändern könnte.

Grün vs. Braun: Risikoprämien neu denken

Engles und De Nards neueste gemeinsame Forschung konzentriert sich auf „Transitionsrisiko“-Portfolios – bei denen Aktien nicht anhand ihrer ESG-Scores, sondern anhand ihrer marktbasierenden Sensitivität gegenüber Klimatransitionsschocks klassifiziert werden: "Wir definieren grüne Aktien als jene mit negativer Exponierung gegenüber Übergangsrisiken – Aktien, die vom grünen Wandel profitieren. Braune Aktien sind das Gegenteil."

Dieser Ansatz hilft zu identifizieren, welche Unternehmen der Markt als Gewinner oder Verlierer im Zuge der Klimapolitik einschätzt. Er ermöglicht es auch, Hedge-Portfolios zu bauen – long grün, short braun – um Klimaexpositionen zu reduzieren, ohne auf intransparente ESG-Daten von Drittanbietern angewiesen zu sein.

"Wir definieren grüne Aktien als jene mit negativer Exponierung gegenüber Übergangsrisiken – Aktien, die vom grünen Wandel profitieren. Braune Aktien sind das Gegenteil."


Robert Engle – Nobelpreisträger & Professor Emeritus.

Robert Engle – Nobelpreisträger & Professor Emeritus

Gibt es ein grünes Alpha?

Sollten Investoren erwarten, dass ESG-Integration die Renditen steigert – oder geht es nur um Risikomanagement? „Man sollte es als Absicherung betrachten“, sagt Engle. „In einer Welt mit zunehmendem Klimarisiko könnten grüne Portfolios in ruhigen Märkten unterdurchschnittlich abschneiden – aber sie schützen, wenn Übergangsschocks auftreten.“

In diesem Sinne hängt die Performance nachhaltiger Strategien nicht nur von Fundamentaldaten ab, sondern davon, wie schnell Märkte ihre Erwartungen in Bezug auf Klimarisiken aktualisieren.

„In einer Welt mit zunehmendem Klimarisiko könnten grüne Portfolios in ruhigen Märkten unterdurchschnittlich abschneiden – aber sie schützen, wenn Übergangsschocks auftreten.“


Robert Engle – Nobelpreisträger & Professor Emeritus.

Robert Engle – Nobelpreisträger & Professor Emeritus

Neue Werkzeuge, neue Horizonte

Traditionelle Volatilitätsmodelle reichen nicht aus, um langfristige, strukturelle Risiken abzubilden. Engles Appell ist eindeutig neue Methoden sind notwendig: „ARCH- und GARCH-Modelle liefern Informationen über kurzfristige Volatilität, erfassen jedoch keine langfristigen strukturellen Veränderungen. Für Klimarisiken benötigen wir Methoden, die die Exposition gegenüber dem Übergangsprozess selbst abbilden.“

Engle verweist auch auf einen vielversprechenden Trend: den Einsatz grosser Sprachmodelle (LLMs) und KI, um Greenwashing aufzudecken und klimabezogene Offenlegungen zu analysieren: „Derzeit wird daran gearbeitet, Unternehmensverlautbarungen mithilfe grosser Sprachmodelle (LLMs) zu analysieren, um Diskrepanzen zwischen Rhetorik und Realität aufzudecken. Das ist die Zukunft – es geht nicht nur darum, CO₂-Emissionen zu prüfen, sondern auch die Glaubwürdigkeit.“

Globale Zusammenarbeit und der Weg nach vorn

Angesichts der politischen Lage in den USA zeigt sich Engle besorgt über das Entfernen von Klimabegriffen aus staatlichen Forschungsinstitutionen und Webseiten. Als Reaktion darauf unterstützt er den Aufbau eines globalen Forschungsnetzwerks für Klimafinanzierung: „Wir wollen eine internationale Plattform aufbauen, um Daten, Code und Forschung zu teilen – damit Klimarisikomodellierung auch dann weiter voranschreitet, wenn politische Hürden entstehen.“

Ein aktueller Erfolg: Forscher in China haben Engles und De Nards Methodik repliziert und erweitert, indem sie ChatGPT verwendet haben, um Klimanachrichten zu identifizieren und portfoliobasierte Ansätze an lokale Gegebenheiten anzupassen.

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